Status: | Beschluss |
---|---|
Beschluss durch: | Landesparteitag |
Beschlossen am: | 19.02.2022 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A 5 - Du verdienst Gerechtigkeit – Arbeitsmarkt
Text
A. 5. Du verdienst Gerechtigkeit – Arbeitsmarkt
Unsere Arbeitswelt befindet sich im Wandel. Darin sehen wir viele Chancen für
den Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein. Doch der Wandel fordert auch eine Reihe
an Maßnahmen, damit Arbeitnehmer*innen unter den neu geschaffenen Bedingungen
bestmöglich geschützt werden können.
Menschen vor Ausbeutung schützen, faire Arbeitsbedingungen sichern, moderne
Arbeitsformen gestalten, all das macht Schleswig-Holstein zu einem attraktiven
Standort im Fachkräftewettbewerb und ist das Ziel GRÜNER Politik. Wir setzen uns
mit geeigneten Maßnahmen dafür ein, den Gender Pay Gap in Schleswig Holstein
offenzulegen und zu verringern. Alle Menschen, die in Schleswig-Holstein
arbeiten, müssen sich sicher sein können, dass die Löhne zum Leben reichen, der
Gesundheitsschutz im Job gewährleistet ist und sozial verträgliche
Rahmenbedingungen für sie gelten. Wir werden die besonders Situation von Frauen
in Teilzeit und im Niedriglohnsektor in den Blick nehmen und geeignete Maßnahmen
ergreifen, ihre Situation zu verbessern.
A. 5. 1. Tariftreue und Abbau prekärer Arbeitsbedingungen
Tarifverträge und starke Gewerkschaften sind noch immer wesentlicher Garant für
sichere und faire Arbeit. Wir setzen uns für die Tariftreue und gegen die
Unterwanderung der Tarifbindung ein.
Wir wollen politische Maßnahmen ergreifen, um Tariftreue durchzusetzen und uns
zuvorderst dafür einsetzen, eine größere Tarifbindung in Schleswig-Holstein zu
erreichen. Unternehmen, die die Tariftreue unterlaufen und Verbände, die solche
Unternehmen vertreten, dürfen bei Ausschreibungen oder Verhandlungen nicht davon
profitieren. Wir werden deshalb auch bei öffentlichen Aufträgen die Tarifbindung
deutlich stärken. Menschen, die für das Land arbeiten, werden wir nicht mehr
über Drittanbieter*innen beschäftigt.
Wir werden ein wirksames Tariftreue- und Vergabegesetz mit einem
Vergabemindestlohn von mindestens 13,50 Euro auf den Weg bringen. Außerdem
werden wir den Landesmindestlohn im Rahmen einer bürokratiearmen Umsetzung
wiedereinführen und auf 13,50 Euro festlegen.
Das Land soll einen jährlichen Bericht zu den Arbeitsbedingungen in Schleswig-
Holstein herausgeben und konkrete Initiativen zur Beseitigung von Missständen
vorschlagen.
Wir setzen uns dafür ein, prekären Arbeitsbedingungen auch dort
entgegenzuwirken, wo der rechtliche oder tarifliche Schutz von
Arbeitnehmer*innen nicht ausreichend besteht, wie beispielsweise in Teilen der
Fleischindustrie oder der Saisonarbeit. Besonders werden wir die Situation von
migrantischen Frauen in der häuslichen 24h-Pflege in den Blick nehmen. Der
Arbeitsschutz muss weiter verbessert und die Einhaltung von Mindestlöhnen
kontrolliert werden. Wir werden die entsprechenden Beratungs-, Unterstützungs-
und Kontrollstrukturen stärken und uns für die betriebliche Mitbestimmung von
Arbeitnehmer*innen einsetzen. Beratungsstellen für ausländische Erwerbstätige
müssen einen Zugang zu allen Betrieben und Haushalten mit ausländischem Personal
oder Subunternehmer*innen erhalten. Wir erwarten, dass Erwerbstätige aus der EU
und aus Drittstaaten transparent über ihre Rechte als Arbeitnehmer*innen oder
Selbstständige informiert werden und an Sprachkursen teilnehmen können.
Entsprechende unabhängige Beratungsstrukturen wollen wir stärken und auch die
aufsuchende Beratungsarbeit vor Ort ausbauen.
Menschenunwürdige Arbeits- und Wohnbedingungen werden wir in Schleswig-Holstein
nicht dulden. Der Arbeitsschutz muss weiter verbessert werden, indem das 2021
eingeführte Verbot von Werkverträgen in der Schlachtindustrie und die Einhaltung
von Mindestlöhnen kontrolliert und der Zugang zu Beratung sichergestellt wird.
Dafür werden wir die entsprechenden Beratungs-, Unterstützungs- und
Kontrollstrukturen stärken. Das bedeutet unter anderem eine weitere
Personalaufstockung der Staatlichen Unfallkasse Nord (StaUk).
Außerdem müssen Mindestwohnflächen pro Person und die Instandsetzung von
Wohnraum für Arbeitnehmer*innen gewährleistet sein. Hierfür werden wir ein
Wohnraumaufsichtsgesetz auf den Weg bringen.
Wir erkennen sexuelle Dienstleistungen als Arbeit an und setzen uns zum Ziel,
diese zu entstigmatisieren. Gleichzeitig müssen unter Zwang arbeitende Menschen
individuelle Unterstützung und staatlichen Schutz erfahren. Dazu sollen Behörden
und Polizei besser geschult, die Sozialarbeit und insbesondere die aufsuchende
Beratung ausgebaut werden. Wir sorgen für finanzielle Sicherheit der
entsprechenden Beratungs- und Anlaufstellen. Auf Bundesebene setzen wir uns für
eine Reform des Prostituiertenschutzgesetzes ein, sodass es sich künftig am
Prinzip der Unterstützung orientiert statt zu stigmatisieren.
A. 5. 2. Homeoffice und Co-Working – flexible Arbeitsformen, aber sicher
Arbeiten in der Pandemie hat die Arbeitswelt zur Flexibilität gezwungen und
dabei die große Bandbreite unterschiedlicher Arbeitsmöglichkeiten aufgezeigt.
Das Arbeiten im Home Office, im Co-Working-Spaces oder von unterwegs haben
gezeigt, dass Arbeiten nicht an einen festen Arbeitsplatz gebunden sein muss.
Wir wollen unter Berücksichtigung des Arbeitnehmer*innenschutzes, diese Modelle
weiter fördern und die Strukturen hierfür ausbauen.
Diese veränderte Arbeitswelt bietet große Chancen, auch für die ländlichen Räume
in Schleswig-Holstein. Verkürzte und eingesparte Arbeitswege sind gut für unser
Klima und bieten einen Mehrwert an Lebenszeit für die Beschäftigten.
Um die flexiblere Gestaltung von Arbeit rechtlich abzusichern und zugleich
Arbeitsschutz auch unter den veränderten Rahmenbedingungen zu gewährleisten,
müssen das Arbeitsschutzgesetz und das Arbeitszeitgesetz reformiert werden. Wir
wollen, dass Rahmenbedingungen wie Arbeitsplatzausstattung, Gestaltung von
Arbeitszeiten und die Organisation und Erreichbarkeit von
Arbeitnehmer*innenvertretungen verbindlich geregelt sind. Eine Auslagerung der
Arbeitsplätze in die mobile Arbeit darf nicht zur Einschränkung der
Betriebsratsarbeit führen.
A. 5. 3. Anerkennung und Weiterbildung
Menschen, die einen ausländischen Abschluss haben, wollen wir den (Quer-
)Einstieg in die Berufswelt erleichtern und Wege finden, um die Anerkennung zu
vereinfachen. Dazu gehören neben einer guten Beratung bei den Behörden
Erleichterungen auch bei fehlenden Papieren, Unterstützung beim Spracherwerb und
bei noch fehlenden Fachkenntnissen.
Für Menschen mit einer im Ausland erworbenen Berufsqualifikation wollen wir die
Anerkennung und Berufsausübung in Schleswig-Holstein erleichtern. Auf
Bundesebene setzen wir uns deshalb dafür ein, dass der Bereich der
Nachqualifizierung bundesgesetzlich aufgenommen wird und, dass die IQ-
Landesnetzwerke weiter gestärkt werden. Außerdem unterstützen wir geplante
Änderungen zur einem nachhaltigen und progressiven Einwanderungsrecht.
Mehr volle Anerkennungen erreichen wir nur, wenn Qualifizierungsbausteine für
die Menschen auch finanzierbar und erreichbar sind. Auf Landesebene werden wir
deshalb ein Stipendienprogramm für die Nachqualifizierung analog des Hamburger
Modells aufbauen. Wir wissen, dass wir als Bundesland nur dann ein attraktives
Einwanderungsland sind, wenn Menschen, die zuwandern oder zu uns fliehen auch
die Möglichkeit erhalten in ihrem erlernten Beruf zu arbeiten. Deshalb holen wir
wichtige Qualifizierungsangebote im Bereich Gesundheit, Pflege aber auch in
technischen und pädagogischen Berufen, Informatik und Fachsprache nach
Schleswig-Holstein
Unsere Gesellschaft und unsere Arbeitswelt ändern sich rapide. Wir wollen die
Transformation der Wirtschaft aktiv gestalten und die Arbeitsplätze und die
Anforderungen an Arbeit auf die Höhe der Zeit bringen. Für ein selbstbestimmtes
Berufs- und Arbeitsleben braucht es unter anderem bedarfsgerechte und seriöse
Weiterbildungsangebote. Zudem braucht es die Akzeptanz durch Arbeitgeber*innen,
so dass flexible Arbeitszeiten, z.B. berufliche Auszeiten, Bildungsurlaub uvm.
tatsächlich und berufsgruppenübergreifend in allen Branchen in Anspruch genommen
werden können. Wir wollen eine positive Kultur für die individuelle
Weiterbildung schaffen.Diese muss sowohl strukturell, als auch inhaltlich
gendergerecht ausgestaltet sein.
Betriebliche wie außerbetriebliche Weiterbildungsangebote helfen, sich auf eine
veränderte Arbeitswelt, auf die Transformation der Wirtschaft in Richtung
Klimaneutralität und Digitalisierung vorzubereiten. Wir unterstützen das Ziel
der Bundesregierung, Bildungszeit und Bildungsteilzeit einzuführen.
Weiterbildungsangebote für Beschäftigte sowie Betriebs- und Personalräte wollen
wir ausbauen und Transfer- und Qualifizierungsgesellschaften stärken.
Wir möchten auch den Zugang zu individuellen Beratungsangeboten verbessern. Dies
können zum Beispiel psychosoziale Beratungsstellen sein, die unterstützen, bevor
sich ein Problem zu einer therapiebedürftigen Erkrankung entwickelt. Unter
freier Trägerschaft sollen in Schleswig-Holstein Beratungsangebote aufgebaut und
nachhaltig implementiert werden.
Unser Ziel ist ein inklusiver, fairer und offener Arbeitsmarkt für alle! Mit
unseren Landesprogrammen wollen wir gleiche Chancen schaffen. Dafür wollen wir
zum Beispiel die guten Maßnahmen des Landesprogramms zur
Arbeitsmarktintegration, Unterstützung von schleswig-holsteinischen Betrieben,
Beschäftigten, Schüler*innen und Auszubildenden, von Frauen, Geflüchteten und
Langzeitarbeitslosen auf den qualifizierten Arbeitsmarkt sowie zur Fort- und
Weiterbildung fortführen und weiterentwickeln. Wichtige Bausteine sind die
Qualität und die Verstetigung von Programmen und Modellen. Auf Landesebene
stärken wir das Arbeitsmarktnetzwerke ALLE AN BORD für geflohene Menschen und
Arbeitgebende.
Die zentrale Stelle für Fachkräfteeinwanderung beim Landesamt für Zuwanderung
und Flüchtlinge wollen wir so stärken, dass sie auch (angehende)
Arbeitnehmer*innen im Inland beraten kann und nicht nur jene, die aus dem
Ausland einreisen möchten. Auf Bundesebene setzen wir uns für die Stärkung des
Arbeitsmarktnetzwerkes Mehr LAND in Sicht, der Jugendmigrationsdienste, der IQ-
Ländernetzwerke und der Willkommenslotsen bei den Kammern ein.