Status: | Beschluss |
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Beschluss durch: | Landesparteitag |
Beschlossen am: | 19.02.2022 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A 4 - Du wohnst bezahlbar und nachhaltig – Bauen und Wohnen
Text
A. 4. Du wohnst bezahlbar und nachhaltig – Bauen und Wohnen
Egal ob Mietwohnung oder Eigentum – egal ob Stadt oder Land. Wohnen darf kein
Luxus sein. Wir möchten die Schleswig-Holsteiner*innen bestmöglich dabei
unterstützen, ein Zuhause zu haben, in dem sie sich wohlfühlen. In Anbetracht
von steigenden Mieten und immer höheren Kosten für Eigentum werden wir wieder
Rahmenbedingungen für mehr Gerechtigkeit auf dem Wohnungsmarkt schaffen. Dazu
gehört sowohl der Schutz von Mieter*innen als auch die Unterstützung beim Kauf
von Wohneigentum. Darüber hinaus setzen wir uns für kreative Nutzungskonzepte
von Wohnraum und für Nachverdichtung in Städten ein.
Bei all dem sind wir überzeugt, dass Bau- und Sanierungsprojekte nachhaltig sein
müssen und gehen als Land mit gutem Beispiel voran.
A. 4. 1. Der Wohnungsmarkt braucht Regeln
Die Preise für Mietwohnungen und Wohneigentum steigen bundesweit an. Für uns als
GRÜNE ist klar: Wohnen muss für alle bezahlbar sein. Daher setzen wir uns dafür
ein, bezahlbaren Wohnraum in Schleswig-Holstein langfristig zu sichern und
werden den teilweise sehr hohen Mieten durch die Wiedereinführung der
Mietpreisbremse und der Kappungsgrenzenverordnung entgegenwirken.
Die durchaus erfolgreichen Wohnraumförderungsprogramme sollen weitergeführt und,
wie im Ampelkoalitionsvertrag angekündigt, mit Bundesmitteln aufgestockt werden.
Wir werden dabei darauf achten, dass dies konsequent im Einklang mit den
Klimazielen geschieht.
Um die gesetzliche Grundlage für eine soziale Wohnungspolitik zu legen, werden
wir ein Wohnraumschutzgesetz für Schleswig-Holstein auf den Weg bringen, welches
die Spekulation mit Wohnraum eindämmt. Darüber hinaus soll es zum Erhalt und
Schutz von Wohnraum beitragen. Mit dem Gesetz wollen wir die Zweckentfremdung
von Wohnraum durch Sanktionen wirkungsvoll verhindern, attraktive Konzepte zur
Binnenverdichtung und Sanierung fördern und die Vermietung von Wohnraum zu
touristischen Zwecken regulieren. Um den Leerstand von Wohnimmobilien zu
bekämpfen, werden wir eine zeitliche Höchstdauer für den Leerstand von
Wohnimmobilien in Vermietung festlegen und Leerstandsabgaben in den Kommunen
fördern.
A. 4. 2. Mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen
Um dem sozialen Wohnungsbau einen deutlichen Schub zu geben, werden wir eine
Landeswohnungsbaugesellschaft gründen. Diese wird auch in Zusammenarbeit mit
Kommunen und kommunalen Wohnungsbaugesellschaften aktiv, um mehr bezahlbaren und
klimafreundlichen Wohnraum zu schaffen. Die Landeswohnungsbaugesellschaft soll
auch Wohnraum ankaufen, sanieren und zu erschwinglichen Mieten anbieten.
Darüber hinaus möchten wir auf Landesebene ein Kompetenzzentrum für die Gründung
von Wohnungsbaugesellschaften und Wohnungsbaugenossenschaften schaffen. Das
Angebot soll sich an Gemeinden und Kommunen richten und diese bei der Gründung
von eigenen Wohnungsbaugenossenschaften sowie Wohnungsbaugesellschaften beraten
und unterstützen.
Um neuen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, werden wir die Wettbewerbsgleichheit
zwischen Kommunen und privaten Investor*innen in Schleswig-Holstein fördern.
Dazu werden wir den in dieser Wahlperiode aufgelegten Bodenfonds zur
Unterstützung von Flächeneinsparungen weiterentwickeln.und mit einer
angemessenen Summe ähnlich dem angestrebten Landesprogramm für
Eigenheimförderung hinterlegen. So werden wir es Kommunen ermöglichen,
Grundstücke, Baulanderschließungen oder Immobilen zum Zwecke nicht nur des
sozialen Wohnungsbaus sondern auch des genossenschaftlichen Wohnungsbaus
erwerben zu können. Kommunen werden Startkapital in solche Fonds einbringen
können. Die Einnahmen aus der Vermietung können dann zur Finanzierung neuer
Projekte im Bodenfonds genutzt werden, anstatt diese zur Erfüllung kommunaler
Pflichtaufgaben verwenden zu müssen. So können Kommunen günstigen Wohnraum
schaffen, der langfristig in öffentlicher Hand und damit für die Mieter*innen
dauerhaft bezahlbar bleibt. Teil unserer aktiven Bodenpolitik wird außerdem
sein, dass wir unsere Vorkaufsrechte aktiv nutzen werden und Kommunen,auch hoch
verschuldete Kommunen, durch zusätzliche Zuschüsse darin unterstützen, dies
ebenso zu tun.
Viele Probleme von mangelnder sozialer Durchmischung bis hin zu Obdachlosigkeit
werden gerade in Zeiten knappen Wohnraums vielerorts in Schleswig-Holstein durch
Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt verschärft. Viele Menschen, die unter
Diskriminierungserfahrungen leiden, haben es deutlich schwerer, angemessenen
Wohnraum zu finden. Wir fordern einen Runden Tisch mit Vertreter*innen der
Wohnungswirtschaft, von Vermieter-, Mieter- und Wohlfahrtsverbänden, aber auch
Selbsthilfeorganisationen, um das Problem der Diskriminierung auf dem
Wohnungsmarkt effektiv anzugehen. Wir werden wohnungslosen Menschen auf
Augenhöhe begegnen und den Schutz von obdachlosen Menschen im öffentlichen Raum
verbessern. Um die Situation von wohnungslosen Menschen zu verbessern,
unterstützen wir Housing-First-Projekte. Gemeinsam mit Behörden und Verbänden
werden wir dafür sorgen, dass Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind
oder bereits wohnungslos sind, die ihnen zustehenden Sozialleistungen in
Anspruch nehmen können und zuverlässig erhalten.
Auch älteren Menschen wollen wir ermöglichen, dass sie für ihre Situation
geeigneten Wohnraum finden. Für sie ist es oft wichtig, in ihrem Quartier zu
bleiben, eigentlich bräuchten sie jedoch altersgerechten und möglicherweise
nicht mehr so großen, aber bezahlbaren Wohnraum. Mehrgenerationenhäuser und -
quartiere sowie Wohnungsbauprojekte, die sich explizit an ältere Menschen
richten, wollen wir unterstützen. Zudem wollen wir den Ausbau von
gemeinschaftlichen Wohnprojekten und die Umsetzung von modularem Wohnungsbau
unterstützen, da es sich hierbei um flexiblere Wohnformen handelt, die eine
Anpassung an sich verändernde Lebensumstände erleichtern.
Das Wohnen muss auch für Menschen in Studium und Ausbildung bezahlbarer werden.
Es ist uns gelungen, in Kiel und Flensburg über 350 neue Wohnheimplätze zu
schaffen, weitere 539 sind in Kiel, Lübeck und Flensburg in der Planung und
Fertigstellung. Wir werden diesen Kurs fortsetzen und zusätzliche Wohnheimplätze
schaffen. Die Pläne der Bundesregierung, stärker in das Ausbildungswohnen zu
investieren, unterstützen wir. Wohneinrichungen für Studierende sollen verstärkt
auch für Auszubildende geöffnet werden.
Auch der Tausch von Wohnraum kann eine gute Lösung sein und wird von uns aktiv
unterstützt. Im Laufe des Lebens verändert sich die individuelle Wohnsituation,
etwa wenn die Kinder ausziehen oder die Wohnung im dritten Stock mit
fortschreitendem Alter schwerer zu erreichen ist. Hier möchten wir es den
Schleswig-Holsteiner*innen erleichtern, praktische Lösungen zu finden. Gemeinsam
mit Wohnungsbaugenossenschaften und sozialen Trägern wollen wir ein
Förderprogramm zur Schaffung von Tausch- und Umbaustrukturen auflegen, um dem
Wohnbedarf für Patchwork-Generationswohnen, Senior*innen-WGs usw. gerecht zu
werden.
Wir begrüßen den vom Bund angekündigten Ausbau des studentischen Wohnungsbaus
und werden dies in Schleswig-Holstein entsprechend unterstützen.
Die Wiedereinführung einer Wohngemeinnützigkeit durch die neue Bundesregierung
begrüßen wir.
A. 4. 3. Nachhaltiges Bauen in Schleswig-Holstein, das Land als Vorreiter
Eine Vielzahl der in Industrie und Bauwirtschaft verwendeten Roh- und Baustoffe
ist nicht nachwachsend. Sand, Metall, seltene Erden und selbst Wasser werden
knapp. Unser Ziel ist es, den Ressourcenverbrauch deutlich zu reduzieren. Dazu
wollen wir gemeinsam mit Wirtschaft und Wissenschaft neue Konzepte und die
notwendigen Strukturen für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft entwickeln. Für
die Produktion unserer Industrie- und Konsumgüter gilt: reduzieren,
wiederverwenden und recyceln.
Unser Ziel ist, künftig alle Gebäude und Infrastrukturen so zu planen, dass
jeder Baustoff entweder recycelbar oder kompostierbar ist. Abrisse wollen wir
möglichst vermeiden und stattdessen Gebäude sanieren. Wir werden gemeinsam mit
Kreisen und Kommunen Konzepte für die Rückgewinnung gebrauchter mineralischer
Rohstoffe entwickeln und umsetzen. Beim Städtebau und kommunalen
Infrastrukturvorhaben wollen wir zeitnah höhere Recyclingquoten erreichen und
entsprechende Projekte fördern. Auch als Land werden wir beispielhaft
vorangehen. Die Verankerung des Kriteriums „Ressourceneffizienz“ in allen Bau-
und Infrastruktur-Förderprogrammen ist für uns elementar wichtig. Als
Modellprojekt ist eine „Bauteilbörse“ nach Bremer Vorbild denkbar. Wir wollen
darüber hinaus für die Nutzung nachhaltiger Baustoffe die notwendigen
rechtlichen Grundlagen schaffen.
Unsere Städte und Infrastrukturen verstehen wir schon heute als Rohstofflager
der Zukunft. Nach wie vor wird aber Abbruchmaterial geschreddert und im besten
Fall für den Straßenbau eingesetzt, meist allerdings als Müll entsorgt. Wir
wollen den ordnungspolitischen Rahmen mit den richtigen Anreizen zum Recycling
von Baustoffen schaffen. Unser Ziel ist eine Entlastung der Deponien, eine
Verkürzung der Beschaffungswege und die Schonung von wertvollen Rohstoffen.
Das Land nimmt mit diesem Vorgehen eine Vorreiterrolle und Vorbildfunktion für
das Thema nachhaltiges Bauen ein. Deshalb setzen wir uns auf dem Weg zu einer
Zero-Waste Strategie für die Einführung einer verpflichtenden Quote für
Recycling-Beton bei Bauvorhaben des Landes und im gesamten Straßen- und
Radwegebau ein. Für Landesgebäude soll die Nutzung des Qualitätssiegels
Nachhaltiges Gebäude (QNG-Siegel), wo immer möglich, zum Standard werden.
Beton ist kein nachhaltiger Baustoff. Daher müssen wir den Einsatz dessen
vermeiden.
Zu diesen Möglichkeiten des ökologischen Bauens werden wir eine
Öffentlichkeitskampagne des Landes ins Leben rufen.
Bis die Zero-Waste Strategie greift, benötigen wir zusätzliche Deponien, denn
die Kapazitäten der Deponien Klasse I und Klasse II werden bis zum Jahr 2025
erschöpft sein. Wir sind uns bewusst: Jede Deponie ist ein massiver und
bleibender Eingriff in die Umwelt. Deponieneubauten werden wir stets kritisch
begleiten und den weiteren Ausbau der Kapazitäten so gering wie nötig halten.
Recyclingbaustoffe sollen künftig eine größere Rolle spielen. Als Vorbild wollen
wir die Ausschreibungsrichtlinie für öffentliche Gebäude des Landes Schleswig-
Holstein ändern: Der Einsatz natürlicher Gesteinskörnungen soll nicht mehr
Vorgabe sein. Außerdem wollen wir eine Recyclingbaustoffquote von mindestens 70
% (ausgehend von jetzt ungefähr 30 %) bis 2035 schrittweise erreichen. Die
Schritte der Quotenerhöhung sind mit den Kapazitäten der Recyclinganlagen
abzugleichen.
Wir wollen die nächsten Jahre nutzen, um die Möglichkeiten des Deponierückbaus
zu evaluieren und streben dabei die Bergung wertvoller Stoffe aus den Deponien
an.
A. 4. 4. Bauen und gleichzeitig Fläche sparen
GRÜNE Baupolitik vereint die Ziele Flächen sparen mit nachhaltigem Bauen. Eine
der obersten Leitlinien ist deshalb: doppelte Innenentwicklung,
Innenverdichtung, Flächenrecycling und Mehrgeschossbau vor Neuausweisung von
Flächen. Wir haben die Landesbauordnung dahingehend ertüchtigt, dass die
Nachverdichtung privilegiert wird. Das werden wir fortführen. Zudem wollen wir
die Kommunen bei der Nutzung der Instrumente des vom Bund verabschiedeten
Baulandmobilisierungsgesetzes unterstützen.
So werden wir uns weiter für die Realisierung von Tiny House Projekten
einsetzen, sowohl zum Dauerwohnen als auch für andere Nutzungen, wie zum
Beispiel Co-Working, Sozialprojekte Kindermusikangebote, Senior*innentreffs oder
Mini-Kulturräume. Dafür haben wir seit 2020 im Landesplanungsgesetz mit §13a
eine Experimentierklausel verankert, die es Kommunen ermöglicht, innovative
Projekte der Siedlungsentwicklung zu betreiben, besonders mit dem Zweck der
Digitalisierung, Siedlungsentwicklung, Daseinsvorsorge, Mobilität, zum
Klimaschutz oder der Energiewende. Diese Flexibilität ist wichtig, um
herauszufinden, ob sich diese Nutzungsform als ein Zukunftsmodell erweist.
Weitere Erleichterungen und Klarstellungen der baurechtlichen Anforderungen für
Tiny Houses werden wir prüfen.
A. 4. 5. Eigentumsbildung für geringe und mittlere Einkommen fördern
Wir wollen ein Landesprogramm für die Eigenheimförderung schaffen. Hierbei soll
der Ersterwerb (Kauf oder Neubau) einer selbst genutzten Immobilie mit einem
pauschalen Zuschuss von 10.000 Euro gefördert werden. Zuschussberechtigt sind
Einzelpersonen, deren zu versteuerndes Einkommen 50.000 Euro im Jahr nicht
überschreitet. Für Paare gilt ein Betrag von 75.000 Euro. Durch jedes Kind im
Haushalt wird die Höhe der Einkommensgrenze um jeweils 15.000 Euro erhöht.
Der Vorteil einer gezielten Eigenheimförderung liegt, im Vergleich zu einer
pauschalen Senkung der Grunderwerbssteuer, zum einen darin, dass es zu keinerlei
Einnahmeausfällen bei den Kommunen kommt. Zum anderen wird jede Immobile in
gleicher Höhe gefördert. Die Eigenheimförderung unterstützt zudem sparsames und
effizientes Bauen, anstatt den Bau großer und teurer Häuser zu fördern. Wir
entlasten zielgenau Familien und Menschen mit geringen oder mittleren Einkommen.
A. 4. 6. Barrierefreier leben in Schleswig-Holstein
Seit 2019 unterstützt die Landesregierung innovative Ansätze zur Förderung von
mehr Barrierefreiheit durch den Fonds für Barrierefreiheit. In den nächsten
Jahren möchten wir diesen Fonds fortführen, um weitere Vorhaben im öffentlichen
Raum zu fördern.
Damit Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen sowie ältere
Menschen ein eigenständiges Leben in eigenen Wohnungen führen können, braucht es
ausreichend barrierefreien Wohnraum. Dieser Bedarf wächst stetig. Wir wollen
deshalb ergänzend zum bestehenden KfW-Programm weitere Förderprogramme für die
Schaffung von barrierefreien Wohnungen auf den Weg bringen.
Auch das inklusive Wohnen wollen wir stärker in den Fokus von
Wohnungsbauprojekten nehmen. Deshalb wollen wir neben der Schaffung von
geeignetem Wohnraum auch Förderbedingungen für inklusives Wohnen erarbeiten.
Denn erst ein gelebtes Miteinander und individuelle Unterstützung im Alltag
schaffen echte Teilhabe. So können beispielsweise in inklusiven
Wohngemeinschaften Menschen mit unterschiedlichsten Fähigkeiten voneinander
profitieren und sich gegenseitig unterstützen. Um zusätzlichen
Unterstützungsbedarf der Bewohner*innen berücksichtigen zu können, wollen wir
beispielsweise Studierenden oder Auszubildenden die Möglichkeit geben, sich zur
Assistenz fortbilden zu lassen. Im Gegenzug können sie in inklusiven
Wohngemeinschaften von einer geringen Miete profitieren.
Bäume haben eine in vielerlei Hinsicht positive Wirkung für uns und unsere
Umwelt. Wir wollen den Schutz von Bäumen landesweit verbessern und werden
weitere rechtliche Möglichkeiten für einen verbesserten Baumschutz sowohl auf
privatem als auch öffentlichem Boden prüfen. Ziel ist es, dass jede Kommune eine
Baumschutzsatzung in Anlehnung an das Hamburger Modell hat.