Status: | Beschluss |
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Beschluss durch: | Landesparteitag |
Beschlossen am: | 19.02.2022 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A 7 - Du bist mittendrin – Inklusion
Text
A. 7. Du bist mittendrin – Inklusion
„Nicht über uns, ohne uns“, dieses Prinzip leitet unsere Politik grundsätzlich
und ganz besonders bei allen Fragen der Inklusion. Unsere Politik soll von
Menschen mitbestimmt werden, die direkt von ihr betroffen sind. Auch das
konsequente Einbeziehen von Menschen mit Behinderungen in alle relevanten
Prozesse auf Landesebene wollen wir in Zukunft selbstverständlich machen.
Deshalb haben wir uns als GRÜNE auch ein Vielfaltsstatut gegeben.
Menschen mit Behinderungen haben das Recht, an allen politischen
Entscheidungsprozessen auf den verschiedenen politischen Ebenen mitzuwirken. Wir
wollen Empowerment leben und Barrieren, die im Moment eine politische Teilhabe
verhindern, abbauen. Dafür sollen verbindliche Regeln zur barrierefreien
Beteiligung auf allen politischen Ebenen geschaffen werden. Wir setzen uns dafür
ein, dass alle Menschen selbstverständlich die Unterstützung bekommen, die sie
für die Teilnahme an Entscheidungsprozessen benötigen. Dafür müssen
Informationen in zugänglichen Formaten zur Verfügung gestellt, geeignete
Veranstaltungsformate gemeinsam mit den Selbstverwaltungen von Menschen mit
Behinderungen festgelegt und Assistenzbedarfe abgefragt und bereitgestellt
werden.
Inklusion darf nicht isoliert betrachtet werden, sondern betrifft alle
Lebensbereiche. Die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am
gesellschaftlichen und politischen Leben ist keine Nebensache, sondern ein
Menschenrecht. Daher möchten wir die Belange von Menschen mit Behinderungen als
Querschnittsthema in allen Bereichen unserer Politik aufnehmen. Neben den
konkreten Forderungen zu speziellen Themen, welche sich in den jeweiligen
Kapiteln dieses Wahlprogramms finden, werden wir uns Grundsätze und Maßstäbe für
unser politisches Handeln geben. Dabei ist die UN-Behindertenrechtskonvention,
die die Grundrechte von Menschen mit Behinderungen beschreibt, wesentliche
Grundlage unserer Politik.
Die Verantwortung dafür, Inklusion als Querschnittsthema zu denken, liegt dabei
vor allem bei den Kommunen, die das direkte Lebensumfeld von Menschen mit
Behinderungen gestalten. Im Land möchten wir deshalb die Einsetzung von
hauptamtlichen Beauftragten für Menschen mit Behinderungen fördern, welche das
Thema innerhalb der Verwaltungen setzen und als Ansprechpartner*innen dienen
sollen. Die Ausgestaltung der Stellenausschreibungen soll unter Einbeziehung der
Selbstverwaltung von Menschen mit Behinderungen erfolgen.
Wir halten die Fortschreibung des Landesaktionsplans zur Umsetzung der UN-
Behindertenrechtskonvention für eine notwendige Maßnahme, um Teilhabe
niedrigschwellig und inklusiv zu gestalten. Die partizipative Fortschreibung
halten wir dabei für notwendig. Auch die Kommunen möchten wir mittels positiver
Anreize zu einer Umsetzung der UN-Konvention ermutigen und sie in den dafür
notwendigen Prozessen unterstützen. Wir wollen das
Landesbehindertengleichstellungsgesetz weiterentwickeln und seine Umsetzung
vorantreiben. Außerdem werden wir die barrierefreie Digitalisierung
vorantreiben, um dem Ziel des barrierefreien Zugangs und damit der digitalen
Teilhabe für alle näherzukommen. Die Anerkennung des Rechts auf lebenslanges und
gemeinsames Lernen ist ein weiterer, wichtiger Schritt.
Die UN-Behindertenrechtskonvention sichert das Recht auf allgemeine Teilhabe am
Arbeitsleben, das heißt allen Arbeitnehmer*innen muss der Zugang zum allgemeinen
Arbeitsmarkt ermöglicht werden. Obwohl dieser Rechtsanspruch besteht, sind wir
in der Realität noch weit von einem inklusivem Arbeitsmarkt entfernt. Das Land
Schleswig-Holstein soll daher auch in seiner Rolle als Arbeitgeber als Vorbild
fungieren.
Wir setzen uns dafür ein, dass der Mindestlohn und Arbeitnehmer*innenstatus auch
für Beschäftigte in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen gilt. Wir setzen
auf einen engen Austausch mit der Koalition im Bund um langfristig Maßnahmen für
eine alternative Ausgestaltung des Sondersystems Werkstätten gemeinsam mit den
dort Beschäftigten zu erarbeiten. Auch die Tagesförderstätten wollen wir stärker
in den Blick nehmen für einen Wandel hin zu einem inklusiven Arbeitsmarkt.
Außerdem soll es für Unternehmen keine Möglichkeit mehr geben, ihre
Ausgleichsabgabe zu reduzieren, indem Aufträge an WfbM vergeben werden.
Das Budget für Arbeit sehen wir als sinnvolles Mittel an, um mehr Menschen den
Zugang zum ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Dafür müssen alle Berechtigten
auch ausreichend über das Angebot informiert und bei der Suche nach einem
geeigneten Arbeitsplatz unterstützt werden. Wir möchten daher Modellregionen in
Schleswig-Holstein einführen, in denen die intensive Begleitung und Bewerbung
des Budgets für Arbeit durch neutrale Ansprechpersonen des
Integrationsfachdienstes erfolgt. Aufgaben der neutralen Ansprechpersonen sind
der aktive Aufbau eines Netzwerkes in der jeweiligen Modellregion.
Um den Übergang von der Schule auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu sichern,
setzen wir auf die Arbeit der Jugendberufsagenturen, die durch subjektzentrierte
berufsvorbereitende Beratungen und Job-Coaching individuell auf die Bedürfnisse
der Schüler*innen eingehen können. Daher möchten wir neben der Stärkung der
bereits bestehenden acht Standorte, weitere Jugendberufsagenturen im Land
etablieren, um eine wohnortnahe Beratung sicherstellen zu können.
Arbeitslosen mit Behinderungen soll die Reintegration in den Arbeitsmarkt
erleichtert werden, dafür wollen wir die Integrationsfachdienste stärken.
Unser Ziel ist es, dass Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen Teil
einer inklusiven Gesellschaft sind. Dafür müssen wir Barrieren im alltäglichen
wie privaten Bereich abbauen.
Wir wollen das Landesblindengeld erhöhen und damit die deutlich gestiegenen
Mehrkosten ausgleichen. Für Menschen mit einer hochgradigen Sehbehinderung
werden wir uns auf Bundesebene für die Einführung eines Sehbehindertengeldes als
Nachteilsausgleich einsetzen.
Außerdem setzen wir uns mit einer Bundesratsinitiative für die Einführung eines
Bundesteilhabegeldes ein, das die Kosten für den erheblichen finanziellen
Mehraufwand für Menschen mit Behinderungen ausgleichen soll. Dadurch können
beispielsweise Gebärdendolmetschungen oder Hilfsmittel bezuschusst werden.
Außerdem setzen wir uns im medizinischen und pflegerischen Bereich dafür ein,
verstärkt für den Umgang mit Menschen mit Behinderungen zu sensibilisieren. Die
zuständigen Gremien der Selbstverwaltung von Menschen mit Behinderung sollen
stärker in die Strukturierung der Aus-, Weiter- und Fortbildung des
medizinischen Personals integriert werden.
Frauen und Mädchen mit Behinderungen sind einem hohen Risiko ausgesetzt, Opfer
von sexueller, körperlicher und psychischer Gewalt zu werden. Auch im Bereich
der sexual- und reproduktionsmedizinischen Versorgung fehlen meist passende
Angebote. In Zusammenarbeit mit den Universitäten und dem IQSH sollen daher
differenzierte Unterrichtsmaterialien für die Thematisierung im inklusiven
Unterricht erarbeitet werden.
Als GRÜNE setzen wir uns neben des präventiven Abbaus von struktureller
Diskriminierung konkret für niedrigschwellige und barrierefreie Schutz- und
Unterstützungsangebote für Frauen mit Behinderungen ein.
Für von gewaltbetroffene Frauen müssen wohnortnahe Ansprechpersonen und
Beratungsstellen zur Verfügung stehen, weshalb wir uns für die Erarbeitung eines
landesweiten Gewaltschutzkonzepts für Frauen mit Behinderungen einsetzen.
Die Änderung des Bundesteilhabegesetzes erfordert auf Landesebene verschiedene
Maßnahmen. Dazu gehört unter anderem die Weiterentwicklung des Betreuungswesens
und die Überarbeitung des Selbstbestimmungsstärkungsgesetzes. Wir erwarten von
den Trägern der jeweiligen Einrichtungen, dass sie den neuen Rahmen nutzen und
eine Gleichstellungsbeauftragte und einen Wohnbeirat mit eigenem Budget
ausstatten. Außerdem wollen wir die Beratung zur Inanspruchnahme von Leistungen
unbürokratischer und kompetenter machen. Insbesondere die
Unterstützungsmöglichkeiten für Frauen, inter*, nicht-binäre und trans* Personen
mit Behinderung sollen in Zuge dessen ausgebaut werden.
Als GRÜNE setzen wir uns dafür ein, dass alle Menschen Zugang zu wichtigen
Informationen erhalten. Daher soll die Verwendung von Leichter Sprache und die
Wertschätzung von Mehrsprachigkeit auch weiterhin in den Verwaltungen gefördert
werden. Der Schutz der Sprache und von Minderheiten ist uns schon immer ein
großes Anliegen. gewesen, daher möchten wir die Gebärdensprache als
Minderheitensprache anerkennen, um
ihren Schutz und Erhalt angemessen fördern zu können. Außerdem werden wir uns
dafür einsetzen, dass Plenarsitzungen z.b. durch Gebärdendolmetschen, sowie
Informationen zu parlamentarischen Beschlüssen leichter zugänglich werden.
Auch manche geflüchtete Menschen mit komplexen Traumafolgen haben Hilfebedarf in
Alltag und Lebensführung. Der Zugang zu den vorhandenen Angeboten und den
Maßnahmen der Eingliederungshilfe darf nicht vom Aufenthaltsstatus abhängen.
Sonst kann auch die rechtliche Betreuung in manchen Fällen keine Wirkung
entfalten, da es an angemessenen Schutzräumen und fachlicher Begleitung fehlt.“
Die letzten beiden Sätze werden ersetzt durch:
„Die Maßnahmen der Eingliederungshilfe sollen bundesrechtlich überarbeitet
werden und für geflüchtete Menschen mit Behinderungen auch den im Einzelfall
erforderlichen muttersprachlichen, kulturellen und Trauma sensiblen
Erfordernissen Rechnung tragen.