Das Berufsbild der „Gemeindeschwester“ wurde u.a. in der DDR aus der Not heraus geschaffen. Da bis 1961 ungefähr 4.000 Ärzte in die Bundesrepublik auswanderten, wurden Gemeindeschwestern eingesetzt, die vor allem die medizinische Versorgung im ländlichen Raum aufrecht hielten. Sie führten in Absprache mit den Ärzten Untersuchungen durch, übernahmen Impfungen sowie zeitintensive Hausbesuche und hatten ihre eigenen Sprechzeiten. Nach der Wiedervereinigung wurde die medizinische Versorgung Aufgabe der Kommunen und privater Arztpraxen. Der Beruf der Gemeindeschwester wurde abgeschafft.
Auch in der Zeit des Nationalsozialismus gab es das Berufsbild der Gemeindeschwester, die den Gesundheitszustand der Bevölkerung überwachte, eine wesentliche Funktion als Gesundheitserzieherin einnahm und im Rahmen der Gemeindepflege auch die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankengutes übernahm.
Die Stellen als Gemeindeschwester wurden beinahe ausnahmslos an Pflegekräfte des NS-Schwesternbundes übertragen, obwohl diesem im Jahr 1939 nur 9,2 % aller deutschen Krankenschwestern angehörten. Sie konnten sich zugunsten des Volkswohles auch gegen „unwertes Leben“ entscheiden und waren sowohl direkt als auch indirekt an der gezielten Tötung kranker, behinderter und schwacher Menschen beteiligt, die nicht den Vorstellungen der nationalsozialistischen Rassenhygiene entsprachen.
Zusammenfassend handelt es sich bei der ‚Gemeindeschwester‘ also in keinem Fall um die Schaffung eines neuen Berufsbildes, sondern vielmehr um ein letztmalig in den 1990er Jahren abgeschafften Berufsbildes. Die erneute Verwendung der Berufsbezeichnung „Gemeindeschwester“ oder „Gemeindepfleger“ gehört aus Sicht der LAG aufgrund der vorstehenden Begründung heraus historisch und politisch abgelehnt.
Der Bundeskoalitionsvertrag sieht mit der Einführung des ‚Community Health Nursing‘ vor, dem demografischen Wandel und dem sich zuspitzenden Fachkräftemangel im ärztlichen und pflegerischen Bereich langfristig entgegenzutreten. Die damit verbundene Neuordnung der Aufgaben von Ärzt*innen und Pflegefachkräften sowie eine dadurch bedingte Neuorganisation der regionalen, interprofessionellen pflegerischen Versorgung, deckt sich nicht mit den Aufgaben der seinerzeit tätigen ‚Gemeindeschwestern‘.
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