Status: | Beschluss |
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Beschluss durch: | Landesparteitag |
Beschlossen am: | 19.02.2022 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A 13 - Du kannst so queer sein, wie du bist – Queer
Text
A. 13. Du kannst so queer sein, wie du bist – Queer
Das oberste Ziel unseres queerpolitischen Handelns ist es, dass wir die
Möglichkeit schaffen wollen, dass alle Menschen gleichberechtigt und
diskriminierungsfrei in unserer Gesellschaft leben können. Uns ist bewusst, dass
queere Menschen keine homogene Gruppe sind. Das zeigt sich darin, dass queere
Menschen in verschiedenen Lebenslagen vor unterschiedlichsten
Bewältigungsaufgaben stehen. Wir begegnen dieser Realität zum einen mit
zielgruppenspezifischen Impulsen, zum anderen mit der Verankerung von
Queerpolitik als Querschnittsaufgabe politischen Handelns in Schleswig-Holstein.
Dabei ist das Konzept der Intersektionalität, also die Überschneidung und
Gleichzeitigkeit von Diskriminierungsmerkmalen innerhalb einer Person, ein
wichtiges Analyseinstrument. Das ist wichtig, um unterschiedliche Bedürfnisse
innerhalb der queeren Community zu berücksichtigen und um übergreifenden bzw.
sich bedingenden Diskriminierungsformen entgegenzuwirken. Um die Koordination
der queerpolitischen Aktivitäten der nächsten Landesregierung sicherzustellen,
wollen wir eine*n Landesbeauftragte*n für queere Themen einsetzen.
A. 13. 1. Queer-Beratung
In den letzten Jahren ist es uns gelungen, erste Beratungsangebote für queere
Menschen zu schaffen. Aber wir sind erst am Anfang. Insbesondere im Bereich
geschlechtliche Vielfalt (trans*/inter*/nicht-binär/...) fehlen qualifizierte
Beratungsangebote. Gemeinsam mit den Kommunen sehen wir es als Aufgabe an, diese
Angebote umfassend ausbauen, besonders in den ländlichen Räumen. Dafür sollen
neben der Schaffung von spezialisierten Fachstellen, in den besonders sensiblen
Querschnittsbereichen, zudem auch fachfremde Beratungsstellen sensibilisiert
werden. Außerdem möchten wir ein landesweites Fortbildungsprogramm zur Aus-und
Weiterbildung von Pädagog*innen in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen
tätigen Personen initiieren, sodass auch hier Anlaufstellen geschaffen werden
können, welche für die psychischen und sozialen Belastung queerer Jugendlicher
sensibilisiert sind.
Wir erarbeiten mit den entsprechenden Verbänden und Institutionen einen
Beratungs- und Handlungsleitfaden für den Umgang mit trans*, inter* und nicht-
binären Schüler*innen, sowie zur affirmativen und unterstützenden Begleitung von
trans* und nicht-binären Menschen bei ihrer Transition.
A. 13. 2. Queere Gesundheit
Queere Menschen sind in unterschiedlicher Art und Maße von sogenanntem
Minderheitenstress betroffen. Sie erleben tatsächliche und antizipierte
Diskriminierung sowie Gewalt- und Ausschlusserfahrungen. All das kann
Beeinträchtigungen der psychischen und physischen Gesundheit zur Folge haben.
Daher ist Antidiskriminierungsarbeit immer auch Gesundheitsprävention.
Gelingende Gesundheitsvorsorge bedarf aber weiterhin eines Versorgungsumfelds,
das möglichst frei von weiteren Stressfaktoren ist.
Hürden in Versorgungs- oder Vorsorgekontexten, über die eigene geschlechtliche
Identität, die eigene sexuelle oder romantische Orientierung zu sprechen, stehen
einer ganzheitlichen Gesundheitsversorgung im Wege. Wir setzen uns daher für
eine umfassende Aufklärung über die wesentlichen geschlechtsspezifischen und
medizinischen Anforderungen an eine ganzheitliche Gesundheitsversorgung ein.
Ziel ist eine bedarfsorientierte und sensible Gesundheits- und Pflegeversorgung.
Damit im Gesundheitswesen Safe-Spaces für queere Menschen geschaffen werden,
möchten wir die jeweiligen Versorgungseinrichtungen und Anbieter*innen mit einem
Gütesiegel für besondere Diversity-Kompetenzen zertifizieren. Darüber hinaus
unterstützen wir den Aufbau eines Kompetenz- und Versorgungsnetzwerks und
weitergehende Maßnahmen zur Qualifizierung von Gesundheits- und Pflegepersonal.
Auch möchten wir die Ausweitung von Beratungs- und Testangeboten zur sexuellen
Gesundheit vornehmen. Insbesondere die Schaffung regionaler niedrigschwelliger
Versorgungsangebote für Trans*, Inter* und Nicht-binäre Menschen ist uns ein
Anliegen. Auch Minderjährigen soll es leichter ermöglicht werden, entsprechende
Stellen aufzusuchen. Darüber hinaus setzen wir uns für eine Sonderzulassung von
queer-kompetenten Psychotherapeut*innen in Schleswig-Holstein ein, um der
aktuellen Versorgungslücke zu begegnen.
Aus der Debatte einer ganzheitlichen und geschlechtersensiblen
Gesundheitsvorsorge entsteht neben einem politischen Auftrag auch ein
gesellschaftlicher. Dem wollen wir durch Aufklärungsangebote und verschiedene
Programme an Schulen und Universitäten nachkommen. Unser Ziel ist, dass eine
geschlechtsspezifische Behandlung mithilfe der genannten Änderungen zum Standard
wird.
A. 13. 3. Landesaktionsplan 2.0
In Schleswig-Holstein haben wir seit Jahren ein wertvolles Netzwerk von
Organisationen, Verbänden und Aktivist*innen der queeren Szene. Wir wollen
unsere Vorhaben stets zusammen mit den Akteur*innen der queeren
Selbstorganisation umsetzen. Zusätzlich wollen wir ehrenamtliches und
selbstorganisiertes Engagement fördern. Den gewachsenen Anforderungen an die in
den letzten Jahren etablierten Netzwerkstrukturen wollen wir hierbei Rechnung
tragen. Gemeinsam wollen wir den Landesaktionsplan Echte Vielfalt mit diesem
Bündnis inhaltlich, strukturell und finanziell zum Landesaktionsplan Echte
Vielfalt 2.0 weiterentwickeln. Zusätzlich zu den bisher zur Verfügung gestellten
Mitteln zur Umsetzung queerer Basisprojekte soll die Weiterentwicklung des
Landesaktionsplans ein Maßnahmenpaket enthalten, das neben den oben genannten
Schwerpunkten weitere Bereiche in den Blick nimmt. Nach erfolgter
Weiterentwicklung wollen wir die Wirkung evaluieren. Das kann beispielsweise mit
einer Neuauflage der Studie "Echte Vielfalt" von 2019 zu geeigneter Zeit
erfolgen.
Weiterhin wollen wir prüfen, ob wiederkehrende Projektförderungen im Rahmen des
bisherigen Landesaktionsplans in strukturelle Förderungen überführt werden
können. Auf diese Weise stünde die bisherige Förderlinie vollumfänglich für die
Umsetzung innovativer, neuer Community-gestützter Projekte zur Verfügung.
Zahlreiche Themenbereiche der Queerpolitik sind ungeeignet, sie einzig und
allein dem Engagement Ehrenamtlicher aufzubürden. Bildungsarbeit, Beratung,
queere Jugendarbeit, Ausbildung, aber auch Querschnittsthemen wie queere
Geflüchtete, queere Menschen und Behinderung brauchen fachliche, professionelle
Strukturen. In den letzten Jahren sind hier erste Schritte gegangen worden, wir
wollen diesen Weg konsequent fortsetzen und nachhaltige und tragfähige
Angebotsstrukturen schaffen, die landesweit erreichbar sind.