Das Hamburger Modell eines Clearingverfahrens ermöglicht es Menschen ohne Papiere, die nicht krankenversichert sind, sich medizinisch versorgen zu lassen bzw. Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen wahrzunehmen. Ihre Würde und ihr Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit bleiben gewahrt. Dabei erfolgt zunächst das eigentliche Clearingverfahren, d.h. die Prüfung, ob eine Eingliederung ins Regelsystem möglich ist. Nur wenn dies nicht möglich ist, kann eine Behandlung bzw. Schwangerschaftsvorsorge in einem vorgegebenen Rahmen in Anlehnung an das AsylbLG aus einem Fonds getragen werden, der mit Landesmitteln ausgestattet von einem Träger verwaltet wird. Das Hamburger Modell sieht im Einzelnen vor:
- Zielgruppe: Zugewanderte nicht-EU-Bürger*innen ohne Papiere und EU-Bürger*innen ohne KV-Schutz
- Clearingverfahren: Prüfung, ob die Reaktivierung eines früheren KV-Schutzes möglich ist oder eine Duldung o.ä. beantragt werden kann, ohne dass eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zu erwarten ist
- Beratung zur aufenthaltsrechtlichen Situation
- Prüfung der Mittellosigkeit (i.d.R. Glaubhaftmachung durch Abgabe einer Erklärung)
- Vereinbarung eines Untersuchungs- und/oder Behandlungstermins im Ärzt*innen- und Krankenhaus-Netzwerk, ggf. Abfrage der ungefähren Kosten, ggf. Einholen eines Kostenvoranschlags bei größeren Operationen
- Ausstellung einer Kostenübernahmeerklärung an die behandelnde Praxis bzw. das Krankenhaus oder die Apotheke (für Rezepte)
- Anlage einer Fallakte mit dem tatsächlichen Namen oder einem Aliasnamen
- Vertraulichkeitszusicherung bezüglich der Identität und allen weiteren Angaben
- Prüfung und Abrechnung der ärztlichen Leistung mit Mitteln aus dem Fonds
- in der Praxis in Hamburg hat sich gezeigt, dass Personen, die ins Regelsystem integriert werden können, zunächst aus dem Fonds gefördert werden und später über das Regelsystem (z.B. Förderung zunächst mit Kosten für eine Untersuchung, wobei die Behandlung dann oft nach Eintritt ins Regelsystem erfolgen kann, oder mit Schwangerschaftsvorsorge in den ersten Monaten, später dann im Regelsystem)
- Bericht und Statistik in jährlichem Rhythmus
- Begleitung durch einen Beirat
Das Netzwerk der Ärzt*innen und Krankenhäuser kennt die Rahmenbedingungen im Clearingverfahren. Die teilnehmenden Ärzt*innen sind nicht verpflichtet, Patient*innen aufzunehmen. Sie kennen die Einschränkungen, die sich ans AsylbLG anlehnen: bestimmte Leistungen sind ausgeschlossen. Sie können ggf. nur in bestimmtem Rahmen abrechnen, z.B. nach dem 1,0fachen Satz der GOÄ.
In Hamburg besteht die Clearingstelle seit 2012. Im Jahre 2021 wurden 643 Ratsuchende beraten, davon 148 ins Regelsystem integriert und 508 gefördert (tw. Überlappung).
Abweichungen vom Hamburger Modell und Anpassungen an die schleswig-holsteinischen Bedürfnisse werden im Pilotprojekt abgestimmt und umgesetzt.
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